Zur Achtsamen Kommunikation

Zur Achtsamen Kommunikation

Worte, als essenzielles Werkzeug der menschlichen Kommunikation, haben Kraft, Worte haben Macht und Worte lösen Emotionen in uns aus, haben damit einen unmittelbaren Einfluss auf unser Wohlbefinden.

Worte, als essenzielles Werkzeug der menschlichen Kommunikation, haben Kraft, Worte haben Macht und Worte lösen Emotionen in uns aus, haben damit einen unmittelbaren Einfluss auf unser Wohlbefinden.

Angst oder Unsicherheit entstehen nicht aus Tatsachen heraus, sondern aus Gefühlassoziationen. Ist einmal etwas gesagt oder haben wir eine Schlagzeile gelesen, ist es bereits „passiert“. Die Emotion hat sich in unser Unterbewusstes eingebrannt, ob die Worte, die das ausgelöst haben, nun Tatsachen entspringen oder nicht. Dazu gesellt sich die sogenannte „Kognitive Verzerrung“, das heißt: wir nehmen vor allem das Negative wahr.

Dieses Wissen kann nun auf der einen Seite für Manipulation oder Beeinflussung genutzt werden. Die Beispiele dafür sind allgegenwärtig, ob in Tageszeitungen, Nachrichtensendungen oder in den Sozialen Medien. Auf der anderen Seite kann dieses Wissen aber auch die Basis sein, um mehr Achtsamkeit in die Wortwahl und damit in die (zwischen)menschliche Kommunikation als Ganzes zu bringen … und damit automatisch zu mehr persönlichem Wohlbefinden führen. Um die menschliche Kommunikation ganzheitlich zu verstehen, lohnt sich ein kurzer Ausflug in deren Geschichte. Vor etwa 2 Millionen Jahren begann der genetische Prozess, der uns später das Sprechen ermöglichte (so mancher Wissenschaftler vertritt übrigens nach wie vor den Standpunkt, dass dies eher durch einen Zufall passierte), der vor rund 70.000 Jahren in die sog. „Kognitive Revolution“ überging. Man begann sich auszudrücke, zum Beispiel in Form von „Lautmalereien“ an Höhlenwänden, die man als eine Frühform der Schrift bezeichnen kann. Auf den „Tontafeln von Tartaria (Rumänien)“ könnte die erste Schrift im heutigen Sinne gesehen werden. Sie ist über 7.300 Jahre alt. Die Phönizier gehörten schließlich zu den Ersten, die das niedergeschriebene Wort in einem Alphabet strukturiert als gesprochene und geschriebene Sprache nutzten, vor allem, um ihren Handel abzuwickeln. Heute gibt es über 6.000 verschiedene Sprachen auf unserem Planeten.

Manchen Völkern, vor allem Jene mit einer ausgeprägten Verbundenheit zur Natur, war das geschriebene Wort zu Beginn eher suspekt. Sie gingen davon aus, dass die Worte starben bzw. ihre Beseeltheit verloren, sobald man sie niederschrieb … ähnlich den Blättern, wenn sie von den Bäumen fallen. Noch für lange Zeit überlieferten zum Beispiel die Kelten ihr Wissen (mit Ausnahme der „Ogham-Baum-Schrift“ Irlands) ausschließlich von Mund zu Ohr, man verließ sich auf das „Hörensagen“.

Gegen Ende des Römerzeitalters, eingehend mit der sich durchsetzenden Christianisierung im fünften Jahrhundert n. Chr. hatte sich in Europa endgültig das geschriebene Wort durchgesetzt, doch begann ein neuer, aus heutiger Sicht bedenklicher, Trend. Man verweigerte dem Volk die Möglichkeit, das Schreiben und Lesen zu erlernen, damit blieb das geschriebene Wort exklusiv für einen Kreis Eingeweihter verfügbar. Diese bauten sich mit dieser Handlungsweise eine enorme Machtposition auf und gaben ihr Wissen nur in kleinen Portionen weiter, vor allem dann, wenn es für sie selbst von Nutzen war („Wissen ist Macht“, so heißt es noch heute).

Dem „gemeinen“ Volk blieb damit nur ein kleiner Ausschnitt des verfügbaren Wissens (bis heute kennen wir das Wort „Allgemeinwissen“ als Synonym für eigentlich begrenztes Wissen) erhalten, ergänzt durch allerlei Gerüchte und die eigenen Erfahrungen, die man weiterhin mündlich unter Gleichgesinnten weitergab, sonst aber für sich behielt. Eine „zwischen den Zeilen“ verborgene Folklore begann sich zu entwickeln, die „Bauernschläue“, die nach wie vor ihre Gültigkeit hat. Wie sagt der erfahrende Landwirt: „Wenn ich meditieren möchte, lege ich mich unter den Baum, beobachte den Wind, der die Äste und Blätter bewegt und wenn ich einen Rat brauche, spreche ich mit ihm … zum Dank umarme ich ihn!“.

Als der Zugang zum Lesen und Schreiben schließlich doch allgemein verfügbar (gemacht) wurde, in Österreich vor allem zu Zeiten Maria Theresias („Dort waren nach ihren Reformen nur noch drei Prozent der Bevölkerung Analphabeten“ – so ein zeitgenössischer Historiker), und der Buchdruck die Massenverbreitung des geschriebenen Wortes ermöglichte, waren die Menschen darauf kaum vorbereitet und von all dem (für sie) neuen Wissen schlichtweg überfordert.

Es folgten die Tageszeitungen, Radio, Fernsehen und der bislang finale Akt im „Kommunikations-Prozess“ kam dann mit dem digitalen Zeitalter, dem Internet und damit verbunden der Möglichkeit, dass nahezu allen Menschen die Werkzeuge in die Hände gegeben wurden, eigene Worte ungefiltert mit möglichst vielen Artgenossen zu teilen, und zwar aus einer relativen Anonymität heraus, was zusätzlich enthemmt. Dazu kommt die schier überbordende Vielfalt an geprüften wie ungeprüften Informationen, die den Menschen auch heute mehr denn je überfordert. Sogar die lange kultivierte Bauernschläue droht in der digitalen Welt verloren zu gehen, denn sie ist nun einmal vorwiegend analog.

Bei all diesen Entwicklungen darf man – und das ist die Krux – nicht vergessen, dass sich eine sogenannte „analoge Ethik“ in der menschlichen Kommunikation 2 Millionen Jahre lang entwickeln konnte, vielen Prüfungen ausgesetzt war, das digitale Zeitalter aber vor nicht einmal 50 Jahren begonnen hat, ein im Vergleich nur ganz kurzer Windhauch in der Menschheitsgeschichte.
Trotzdem werden heute die „analoge“ und „digitale“ Welt in der Kommunikation oft gleichgesetzt. Schreibe ich etwas auf Facebook, hat es für die Menschen zumeist die gleiche Relevanz, als ob ich es als Experte mit jahrelanger, persönlicher Erfahrung auf einer Bühne vor einer Gruppe von Menschen sage.

Worte sind pure Energie!

Wir leben im Bereich der menschlichen Kommunikation damit in sehr intransparenten und wenig fokussierten Zeiten. Der sogenannten Halb- oder Fake-Information (Information, die zumeist nicht selbst überprüft wurde) sind damit alle Türen geöffnet und Viele von uns meinen darüber hinaus, auch mangels fehlender Ethik, den eigenen Emotionen in der digitalen Welt ungehemmt in Worten Ausdruck verleihen zu können …

… und vergessen dabei, dass Worte nicht nur Macht und Kraft haben, sondern auch pure Energieschwingung sind, die unmittelbaren Einfluss auf das menschliche Energiesystem haben. Diesen Schwingungen sind alle anderen Nutzer – zum Beispiel eines sozialen Netzwerkes – dann ausgeliefert. Das kann durchaus krank machen, wie man heute in der Medizin weiß, zumindest aber ängstlich oder unsicher, als Vorstufen physischer Krankheiten.

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Es braucht neue Konzepte

Hier setzen dann Konzepte wie die „Gewaltfreie Kommunikation“ (GfK) an, deren Ziel es ist, das menschliche Wohlbefinden zum Grund unserer Wortwahl zu machen, auf Basis von Freiwilligkeit und Selbstempathie im Sinne einer Bedürfnisserfüllung auf allen Seiten.
Einen ähnlichen Grundsatz hat auch meine Idee der „Achtsamen Wortwahl“ und darauf basierend der „Achtsamen Kommunikation“ bzw. dem „Achtsamen Schreiben“. Ich stelle die Achtsamkeit (Mindfulness) – unter anderem den Gedanken, dass man sich zuerst selbst ganzheitlich wohlfühlen muss, um auch anderen Menschen ein gesteigertes Wohlbefinden ermöglichen zu können – in den Mittelpunkt.

Worte sollten nur dann ausgesprochen oder niedergeschrieben werden, wenn man ganz bei sich selbst ist, wenn man sich wohlfühlt. Es sei denn sie sind wirklich Mittel zum Zweck und dienen der Beschreibung einer klar abgegrenzten Situation, etwa wenn ich mit meinen Worten eine Krisensituation beschreiben soll. So kann sich eine individuelle Ethik entwickeln und daraus eine ganzheitliche Moral entstehen.

Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass Kommunikation nicht nur aus Worten, sondern noch viel mehr aus Lautstärke, Wortmelodie und Gesten besteht. All dies gilt es für ein achtsames Leben – und damit auch die zwischenmenschlichen Beziehungen – zu berücksichtigen.

Doch im digitalen Zeitalter gilt es zu Beginn einmal ein Bewusstsein für die Wortwahl zu schaffen, als die vorrangige Ursache für Unwohlsein aufgrund unachtsamer Kommunikation. Der Großteil menschlicher Kommunikation findet inzwischen nun einmal im Internet statt und da genügt heute schon ein (bewusst oder unbewusst) unachtsam formuliertes Posting auf Social Media, das Unwohlsein oder sogar Angst, Wut, Trauer oder Depression auslöst. Es braucht dazu nicht einmal mehr eine Geste oder ein lautes Wort.

 

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Worte sind Werkzeuge

Die „Achtsame Wortwahl“ beginnt für mich somit beim eigenen Wohlbefinden, und eine möglichst bewusste Wertfreiheit in dem Moment, in dem ich meine Worte wähle. Ich möchte dem Gesprächspartner immer auf Augenhöhe begegnen. Das erreiche ich, indem ichmich aus aktuellen Emotionen herausnehme, sei es aus einer Wut, Angst oder auch aus einer zu großen Euphorie oder kurzfristiger, fremdgesteuerter Freude, die bald wieder verblasst (zum Beispiel, weil ich einen Wettbewerb gewonnen habe). Sogar mein Ego stelle ich hinten an, denn es ist in der heutigen menschlichen Gesellschaft viel zu oft Antrieb, anstatt unser Werkzeug zu sein. Es steht meiner Wertfreiheit einfach im Weg herum.

Das achtsame Wort selbst bildet sich am sogenannten „Nullpunkt“ („inkommensurable“), jener Teil unseres Bewusstseins, wo alles sein darf, aber nichts sein muss … dort, wo die Psychologie jenen Bezugspunkt sieht, der uns durch bestimmte Reize eine Veränderung in unserem Befinden anzeigt12.

Es entsteht zumeist ganz intuitiv direkt an der „Quelle“13 (oder im „Meer der der Möglichkeiten“14), nämlich der Schnittstelle zum Unterbewussten, das sich auf Quantenebene befindet und mit einem unendlich großen Informationsspeicher verwoben ist, in dem all unser kollektives Wissen zur Verfügung steht. Jede unserer Gedanken oder Handlungen ergänzt diesen Informationspool, inklusive einem universellen Wörterbuch, wenn man es so nennen möchte (all dieses Wissen verdanken wir der Quantenphysik und ihren Protagonisten, die seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts die „spirituelle“ und „physische“ Welt mehr und mehr in Einklang bringen).

An der Wort- und Schreibquelle wird die LEIDENschaft zur BeGEISTerung, das MitLEID
zum MitGEFÜHL … und aus Schein sehr bald echtes EIN.

… Es braucht eine MEDITATIVE WORTWAHL!

Der Nullpunkt und damit die Quelle unserer achtsamen Worte ist über Meditation erreichbar und es gibt dafür eine wunderbare Achtsamkeitstechnik: „Der Neutrale Beobachter“. Man beobachtet sich dabei selbst am und vom Nullpunkt aus, bewertet aber das eigene Tun nicht. Es geht nicht um „Gut“ oder „Schlecht“, bestenfalls um ein „AHA“. Dieses oft zitierte „AHA-Erlebnis“ ist unser bester Lehrer im Leben, wenn es um die persönliche Weiterentwicklung geht.

Zu diesem „Neutralen Beobachter“ wird man zum Beispiel über eine Atem- Meditationstechnik. Üblicherweise atmen wir ganz automatisch (östliche Philosophien sprechen hier von „Atman“, der für uns atmet), doch in Meditation mache ich mir den Atemvorgang bewusst … wie mir beim Einatmen in möglichst aufrechter Haltung der lebenswichtige Sauerstoff zugeführt wird, wie es dabei sogar kribbeln kann … und wie ich dann die nicht mehr für mein Leben benötigten Stoffe ausatme, dabei leicht zusammensacke, um kurz in mir ruhen zu können. Das tatsächliche Leben aber – und das ist wichtig – findet zwischen den Atemzügen statt, so wie auch das achtsame Wort dort entsteht.

Atmet man einige Minuten ganz bewusst, findet man sehr bald „meine eigene Mitte“ und damit automatisch eine gewisse Wertfreiheit bzw. Neutralität, wie man es auch bezeichnen kann. Nun kann das Beobachten und Schreiben (Sprechen) beginnen.

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Natürlich macht auch hier die Übung den Meister und für die „Achtsame Wortwahl“ gibt es eine ganz einfache Übung, die man täglich praktizieren kann:

1. Egal, wie es dir gerade geht: schreibe einen Text zu einem Thema, das dir gerade einfällt
2. Mache eine Pause
3. Mache deine Atemübung und werde zum „Neutralen Beobachter“
4. Schreibe den Text noch einmal, denke dabei aber nicht zu viel nach … lass es fließen
5. Mach eine weitere Pause
6. Vergleiche die Texte – wie fühlst du dich dabei?

Rein in die Praxis

Wenn man nun mit anderen Menschen spricht oder man etwas niederschreibt, ist es von essenzieller Bedeutung, wozu das Wort, der Satz dient. Eventuell soll ja eine bestimmte Situation beschrieben oder ein Gefühl ausgedrückt werden und dazu braucht es natürlich ein gewisses Maß an Emotion. Der Schlüssel dabei ist, immer vor Augen zu haben, wie es ist, wenn einen selbst solch ein Wort oder Satz erreicht. Wie fühlt sich das an? Fühlt man sich dabei unwohl, sollte die Wortwahl überdacht werden.

Immer so zu schreiben oder zu sprechen, dass man sich dabei selbst wohl fühlt, auch wenn die Worte vielleicht sogar kritisch (gemeint) sind, bewusst auf etwas hinweisen …

… das ist gelebte Achtsamkeit, das ist „Achtsame Kommunikation“ auf Augenhöhe!

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Am Ende steht der Goethe

Ich möchte diesen Artikel mit einem Zitat des großen Johann Wolfgang von Goethe abschließen: „Keiner versteht die Anderen ganz, weil Keiner bei demselben Wort genau dasselbe denk wie der Andere“.

Die zwischenmenschliche Kommunikation (die möglicherweise sogar zufällig entstand, was auch deren große Komplexität, zum Teil sogar „Unlogik“, in einer sonst so natürlich funktionierenden Welt erklären würde) ist keinesfalls einfach, doch mit gelebter Achtsamkeit kann sie ihre gesamte Kraft, Macht, ja manchmal sogar Magie, entfalten und dabei noch für Wohlbefinden sorgen.

Auch mit der „KI“, der nächsten Stufe im Kommunikations-Prozess – wird sich eine Ko- Existenz finden lassen. Es braucht den achtsamen Menschen zwischen den Maschinen. Ob diese „Künstliche Intelligenz“ Antrieb wird oder Werkzeug bleibt entscheidet sich zwischen der 0 und 1, wo die „Natürliche Intelligenz“ zu Hause ist.

Zusammenfassend – in klaren, achtsam gewählten Worten: Atme bewusst aus, lasse dabei überschüssige Emotion los … finde deine Mitte, den Neutralen Beobachter in dir … Atme ein … öffne dabei deinen Geist, sieh mit den Augen des „Neutralen Beobachters“, lasse dabei zu, dass dich das achtsame Wort erreichen kann … sprich es aus und/oder schreibe es nieder …

… und zum Dank umarme einen Baum, eingedenk alter Bauernschläue!

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Quellen

Yuval Noah Harari – „Eine kurze Geschichte der Menschheit“
Harald Haarmann – „Die Geschichte der Schrift“
Paul Schröder – „Die phönizische Sprache“
Jean Markale – „Die Druiden“
Martha Sills-Fuchs – „Wiederkehr der Kelten“
John Boardley – „Die Erfindung des Buches“,
Ian Mortimer – „Zeiten der Erkenntnis“
Marshall B. Rosenberg – „Was deine Wut dir sagen will: Überraschende Einsichten“
Jon Kabat-Zinn – An outpatient program in behavioral medicine for chronic pain patients based on the practice of mindfulness meditation – in: General Hospital Psychiatry. 4(1), 1982, p. 33-47
John O`Donohue – „Anam Cara“
Ulrich Warnke – „Quantenphilosophie und Spiritualität“
Richard David Precht – „Jäger, Hirten, Kritiker“

 

Bilder von Gerd Altmann auf Pixabay


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